Presse / Kritik

„Berliner Schnauze“ im Mühlviertel“

Grenzlandbühne Leopoldschlag zeigt „Die Ratten“: Beispiel für anspruchsvolles Amateurtheater

Ein in unseren Breiten ungewohnter Dialekt ist dieser Tage im Mühlviertel groß in Mode. Denn in dem 1911 uraufgeführten Stück „Die Ratten“ von Gerhart Hauptmann wird vorwiegend Berlinerisch gesprochen. Die vielen „icke“, „dit“ sowie „dufte“ kommen den Laiendarstellern der Grenzlandbühne Leopoldschlag jedenfalls ganz leicht über die Lippen — ja, man hat fast den Eindruck, es bereitet ihnen große Freude.

Auch im Jahr eins nach dem im vergangenen Jahr verstorbenen langjährigen Obmann Josef Haiböck, dem die heurige Produktion gewidmet ist, setzt die Grenzlandbühne ihr Vorhaben, dem Publikum anspruchsvolles Amateurtheater anzubieten, konsequent um.

Bei der Inszenierung der Tragikkomödie um ein abgekauftes Baby, das der falschen Mutter letztlich zum Verhängnis wird, setzt Regisseur Daniel Pascal vor allem auf die Ausdruckskraft seiner Protagonisten. So überzeugt Martina Lanzerstorfer als verzweifeltes polnisches Dienstmädchen Pauline Piperkarcka, die ihr Neugeborenes um 123 Mark an Jette verkauft und es später, geplagt von Gewissensbissen, wieder bereut. Wolfgang Aistleitner brilliert als eloquenter ehemaliger Theaterdirektor Harro Hassenreuter, in dessen, im Dachgeschoss einer Berliner Mietskaserne untergebrachten, Kostümverleih das Unglück seinen Lauf nimmt.

Und schließlich Karin Schinagl als dessen Putzfrau Jette John, die sich zuerst nur gemeinsam mit ihrem arbeitsbedingt meist abwesenden Mann Paul (Martin Oberngruber) über den unverhofften Nachwuchs freut. Als aber dann die Wahrheit Schritt für Schritt ans Tageslicht kommt und der Betrug sich nicht mehr vertuschen lässt, begeht sie einen Fehler nach dem anderen und stürzt die richtige Mutter, ihren Bruder sowie sich selbst ins Verderben.

Heinz Wernitznig (Neues Volksblatt vom 2.8.2016)

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„Die Ratten“ begeistern auf der Grenzlandbühne

Daniel Pascals Regie überzeugt in Leopoldschlag.

Nach dem Jägerstätter-Stück im Vorjahr nahm sich die Grenzlandbühne Leopoldschlag für heuer ein Schauspiel des 1862 geborenen Literatur-Nobelpreisträgers Gerhart Hauptmann vor: Am Samstag feierte „Die Ratten“ unter der Regie von Daniel Pascal eine vielbeklatschte Premiere bei den diesjährigen Sommertheatertagen.

Authentisch transportiert das Ensemble die Geschichte unterschiedlicher Charaktere in einer verkommenen Mietskaserne zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Mit viel Empathie wird den zentralen Figuren Leben eingehaucht: etwa der Frau John (Karin Schinagl), die keine andere Möglichkeit sieht, ihrem Mann seinen Kinderwunsch zu erfüllen, als dem Dienstmädchen Pauline Piperkarcka (Martina Lanzerstorfer) ihr Kind abzukaufen.

Überzeugend gespielt sind auch alle anderen Rollen: die des ehemaligen Theaterdirektors Harro Hassenreuter (Wolfgang Aistleitner), seiner Tochter Walburga (Jana-Marie Bauer) oder der Sidonie Kobbe (Astrid Wagner). Besonders begeisternd: Dominik Chalupar als Erich Spitta, ein Kandidat der Theologie.

Überhaupt besticht das ganze Team der Grenzlandbühne mit professioneller Darstellung. Großes Lob gebührt auch Ausstattung, Kostüm und Maske.

Michael Polzer (OÖ Nachrichten vom 2.8.2016)

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„Die Ratten“ – ein naturalistischer Klassiker

aus der Feder des Literaturnobelpreisträgers Gerhart Hauptmann ist die diesjährige Sommerproduktion der Grenzlandbühne Leopoldschlag. Noch stark wirkt die Erinnerung an den theatralischen Tausendsassa Josef Haiböck nach, der die Gruppe zu einem wichtigen Player in der oberösterreichischen Theaterszene gemacht hat. Mit ungebrochener Energie – unter dem neuen Obmann Johannes Klopf, der als Hausmeister Quaquaro, sein Scherflein zur gelungenen Ensembleleistung beitrug – und großem Engagement wurde diese Tragikomödie auf die Bühne gebracht (Regie: Daniel Pascal).

„Die Ratten“ gehören neben „Rose Bernd“ und „Fuhrmann Henschel“ zu den sogenannten Arme-Leute-Dramen Gerhart Hauptmanns. Mir als Germanisten haben einfach die Ratten gefehlt, dieses bedrückende Ambiente erdrückender Verhältnisse einer proletarischen Schichte, ein von „Ungeziefer“ verseuchter Dachboden als Theaterfundus des Schauspieldirektors Hassenreuther (souverän gespielt von Wolfgang Aistleitner). Zu bürgerlich die Wohnung des Paares John (Karin Schinagl spielt mit einer tiefen Intensität die barmherzige Betrügerin, Martin Oberngruber den polternden Ehemann).

Dennoch, das Ensemble (Jana Bauer, Dominik + Stefanie Chalupar, Herbert Schaumberger, Martina + Anna Lanzersdorfer, Astrid Wagner, Bianca Hoffelner und Karl Wagner) hat mit seinem intensiven Spiel, mit dem unbedingten Willen zur Wahrhaftigkeit den Kampf gegen eine schier unübersichtliche Textflut (noch dazu in teils künstlichem Berlinerisch) und eine – für mich – nicht mehr ersichtliche heutige Problematik gewonnen. Es ist wahrlich keine leichte Kost, die hier serviert wurde.

Bernhard Paumann (OÖ Amateurtheaterverband am 2. 8.2016)