Presse / Kritik

Widerstand bis zur allerletzten Konsequenz
Die Grenzlandbühne in Leopoldschlag wagt sich an Felix Mitterers „Jägerstätter“ heran und triumphiert.

Jeden Kilometer, jede Autominute ist die Anreise nach Leopoldschlag wert. Im letzten Zipfel des Mühlviertels untermauert die Grenzlandbühne aufs Neue, dass Amateurtheater nichts mit Laienklamauk zu tun hat. Am Samstag erlebte das 2013 im Theater in der Josefstadt uraufgeführte Stück „Jägerstätter“ von Felix Mitterer in der Regie von Helmut Boldog seine Premiere.

Im Privatleben ist Bernhard Jahn Berater für medizinische Produkte, auf der Bühne trägt er diesen Franz Jägerstätter in sich, als wäre er ihm geimpft worden. Gut zweieinhalb Stunden lang (mit Pause) entrollt sich das Schicksal dieses 1943 von den Nazis ermordeten Kriegsdienstverweigerers aus St. Radegund im Innviertel, der 2007 selig gesprochen wurde.

Boldog nimmt sich Zeit. Das ist gut so, weil jede Hast an der Eindringlichkeit rütteln würde. Zu Beginn klingt Reinhard Meys „Nein, meine Söhne geb ich nicht“ – kurz danach skandiert das Ensemble im Chor das von Jägerstätters Schwiegermutter (Elisabeth Neulinger) angezettelte „Du hast ihn umbracht“. Sie klagen Franziska (die glänzende Andrea Pammer) an, Jägerstätters Frau und Mutter von drei Kindern, dass sie ihm diesen „Märtyrertod“ nicht ausgeredet hat.

Von nun an wird alles neu sortiert, und es beginnt der Reihe nach: vom Motorrad fahrenden Raufbold Jägerstätter, der ein uneheliches Kind hat und die Magd Theresia auf Geheiß seiner Mutter nicht heiraten durfte. Seine Rückbesinnung auf Gott einerseits, seine Widerspenstigkeit gegen alles Totalitäre andererseits – Wesenszüge, die durch die Verbindung mit Franziska geschärft werden.

Jahn gelingt es vorzüglich, die Entschlossenheit des Querdenkers und die Herzlichkeit des Familienvaters nebeneinander existieren zu lassen. Martina Lanzersdorfer ist eine blendend zweischneidige Theresia. Wolfgang Aistleitner gibt dem Linzer Bischof, der lieber den Mund hält, als die Nazis zu verärgern, etwas fein Dämonisches, Gerhard Becker wechselt als Jägerstätters Pflichtverteidiger Dr. Feldmann hinreißend zwischen Pragmatismus und Hilfsbereitschaft. An der Rückwand vertiefen Fotoeinblendungen die reduziert und bloß mit unterschiedlichen Tischanordnungen möblierte Atmosphäre. Die Zeit vergeht wie im Flug. Schweigend und von den pathosfreien Eindrücken bewegt, applaudiert das Publikum im Stehen.

Theater: „Jägerstätter“ von Felix Mitterer, Regie: Helmut Boldog, Granzlandbühne Leopoldschlag, Premiere: 25. Juli, weitere Termine: 29./30./31. Juli 1./6./7./8. August (jeweils 20 Uhr), 9. August (15 Uhr).

Karten und Infos: 0664/6389 389.

OÖ Nachrichten vom Montag, 27.Juli 2015

 

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Innviertler Sturschädl mit unbeugsamem Willen
Großartige Darsteller: Umjubelte Premiere von „Jägerstätter“ von Felix Mitterer in der Grenzlandbühne Leopoldschlag

Von Heinz Wernitznig

„Besser die Hände gefesselt als der Wille“ — wie ein roter Faden zieht sich dieses Zitat des 2007 selig gesprochenen Franz Jägerstätter durch das gleichnamige Mitterer-Stück, das Samstagabend in Leopoldschlag seine Premiere feierte. Prägnant, ohne Schnörkel zeichnet Regisseur Helmut Boldog die Leidensgeschichte des von Bernhard Jahn brillant verkörperten Bauern aus St. Radegund nach, der den Wehrdienst für die Nationalsozialisten aus Gewissensgründen verweigerte und deshalb 1943 im deutschen Brandenburg hingerichtet wurde.

„Jägerstätter“ ist aber mehr als ein Porträt über einen tiefgläubigen Innviertler Sturschädl, dessen Wille durch das NS-Regime nicht gebrochen werden konnte. Das Stück gibt auf beklemmende Art und Weise Einblick in das Denken und Handeln der Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus und den sozialen Druck, dem Andersdenkende und ihre Angehörigen ausgesetzt waren. „Er hat Schmach und Schande über unser Dorf gebracht“, bekommt etwa Jägerstätters-Witwe Franziska, ebenfalls bravourös dargestellt von Andrea Pammer, anstatt eines Trostes unmittelbar nach der Nachricht vom Tod ihres Gatten zu hören.

Schade nur, dass die 2013 verstorbene Ehefrau des erst spät rehabilitierten Wehrdienstverweigerers die Aufführung des Mitterer-Stückes nicht mehr erleben durfte.

Termine: 31. Juli, 5.-7. August, 12.-15. August (jew. 20 Uhr)

Karten: Tel. 0664/6389389

Neues Volksblatt vom Montag, 27.Juli 2015

 

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Leopoldschlager Sternstunde

Als wirkliche Sternstunde des Amateurtheaters kann man die heurige Sommerproduktion der Grenzlandbühne Leopoldschlag bezeichnen. Diese Inszenierung des Stücks Jägerstätter Besser die Hände gefesselt als der Wille von Felix Mitterer lässt die Grenzen zu den Profis vergessen!

Regisseur Helmut Boldog setzt in seinem stark chorischen Konzept die einzelnen Szenen wie Holzschnitte zusammen, schafft in langsamen, bedeutungsschweren (aber keineswegs schwerfälligen) Bildern einen modernen Kreuzweg mit alten, wirkungsmächtigen Mitteln, die am Ende als ein erratischer Block dastehen. Boldog gelangt so zu einer Intensität, die Publikum wie Darsteller schmerzt und während der gesamten Aufführungsdauer keinen Moment der Entspannung zulässt.

Geradezu meditativ wirkt das Bühnenbild von Georg Kriechbaumer mit seinen kopflosen weißen Gestalten, die die schweigende Masse vermehren, und dem zentralen Mittelstück – heimeliges bäuerliches Stubenfenster und kaltes Kreuz zugleich.
Der Qualität der Inszenierung entspricht auch die des Ensembles. Nur selten begegnet man einer solchen Sprachdeutlichkeit und Konzentration bis ins kleinste Detail, kein falscher Ton ist zu hören. Das gilt für die kleineren Rollen – Gerhard Becker als loyaler Verteidiger Dr. Feldmann, Martin Oberngruber als widerstandsbereiter Wehrmachtsoffizier, Wolfgang Aistleitner als knorriger, politisch lavierender Linzer Bischof, Mario Ruschak als streitsüchtiger Großbauernsohn, Gerhard Neunteufel als bedrängter St. Radegunder Bürgermeister, Dominik Chalupar als opportunistischer Pfarrer Fürthauer und Herbert Schaumberger als linientreuer Ortsgruppenleiter – sowie besonders für die vier großen. Martina Lanzerstorfer ist die verbitterte, neiderfüllte Mutter des ledigen Kindes Jägerstätters, Elisabeth Neulinger ist als Jägerstätters Mutter ihrem Sohn ganz ergeben, als Schwiegermutter aber eine Beißzange. Andrea Pammer ist eine großartige Franziska Jägerstätter, offen, herzlich und optimistisch trotz ihres Unverständnisses über die Entscheidung ihres Mannes. Der Franz Jägerstätter Bernhard Jahns ist ein Ereignis; seine Entschlossenheit in allen Dingen, seine Kraft auch im Zweifel, in den dunklen Stunden überwältigend.

Überwältigend auch der Applaus für dieses große Theater im kleinen Leopoldschlag.

Noch zu sehen am:
29./30./31. Juli 1./6./7./8. August um 20. Uhr
Sonntag 9. August 2015 um 15. Uhr

OÖ Amateurtheaterverband am 30.07.2015
Rezension von Christian Hanna

 

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Glaubwürdige Schicksalsrollen
Grenzlandbühne Leopoldschlag zeigt Mitterers „Jägerstätter“

Mit der Aufführung des zutiefst bewegenden Schicksals des standhaften Wehrdienstverweigerers Franz Jägerstätter, klar und schonungslos dokumentiert von Felix Mitterer, legte die Grenzlandbühne Leopoldschlag ein weiteres hervorragendes Zeugnis ihrer dramaturgischen Fähigkeiten ab. Viel Lob, viel Applaus!

Zu Jägerstätters Lebensphilosophie gehörte der Grundsatz: „Besser die Hände gefesselt als der Wille“ – dies war für ihn unerschütterlich. Er ließ sich von seiner religiös gefestigten Überzeugung, keine  Menschen auf Befehl töten zu müssen, durch kein Kompromissangebot beirren. In der angemessenen Regie von Helmut Boldog werden die bewährten Laienschauspieler zu ambitionierten Leistungen animiert und verkörpern ihre zugedachten Schicksalsrollen mit glaubwürdiger Emotion und darstellerischer Sicherheit. Allen voran das unerschütterliche Ehepaar Franziska und Franz Jägerstätter, gespielt von Andrea Pammer und Bernhard Jahn. Berührend Martina Neulinger als hartnäckige Mutter Rosalie und Wolfgang Aistleitner als feige argumentierender Bischof. „Pflichtverteidiger“ Gerhard Becker agiert mit zwiespältiger Anteilnahme. (FD)

OÖ Kronen Zeitung vom Dienstag, 04.08.2015