Nachlese

Festival „LEBEN AM RAND“

im Rahmen der Sommertheatertage 2007 an der Grenzlandbühne
vom 27. Juli bis 12. August 2007

1636 Besucher kamen zum Festival davon 1542 zur Besuchszeit von Felix Mitterer!

Die Grenzlandbühne Leopoldschlag hat mit dem Kulturfestival „Leben am Rande“ wieder einen Volltreffer gelandet.
Der Hauptprogrammpunkt war das Theaterstück „Besuchszeit“ von Felix Mitterer. Dabei handelt es sich um die Abfolge von vier Einaktern mit jeweils zwei Darstellern zum Thema „Ausgrenzung“.
Dem Regie-Altmeister Schreiner-Steinberg ist es mit sicherem Griff gelungen, vier kongeniale Paare zusammenzustellen, die einander sowohl herausforderten als auch ergänzten:

Da sind einmal der restlos enttäuschte Schwiegervater Reinhard Knoll im Altersheim, den eigentlich nur mehr zwei Wesen interessieren, die Enkelin Anita und der heiß geliebte Hund Haika. Sein Besuch, die Schwiegertochter Renate Wagner, ordnungssüchtig, frustriert, ausgenutzt, und doch voller Schuldkomplexe gegenüber dem ungeliebten Alten. Großartig, wie sie in einem letzten Anfall von grausamer Bosheit dem Alten die Liquidierung des Hundes ins Gesicht schreit – erschütternd die endgültige Resignation, das verzweifelte Verstummen des Schwiegervaters.

Ebenso stark das zweite Paar: Altbauer Josef Haiböck und Tochter Kathrin Helml. Haiböck als knorriger, sturköpfiger, abwechselnd sentimentaler und aggressiver Michael Kohlhaas macht die Tochter nieder, weiß aber genau, dass er der Verlierer ist. Sehr schön herausgespielt war die schwebende Ambivalenz zwischen Verrücktheit und gespielter Geisteskrankheit. Die Wahnidee von den „Elektrischen“ treibt die verzweifelte Tochter in die Flucht, und der Vater regrediert zum Kleinkind mit dem Lied vom „Hoslnußkean“!

Den dramatischen Höhepunkt bringt die Begegnung im Gefängnis. Der Mann Bernhard Jahn besucht seine Frau Andrea Pammer, die ihn nach einem harmlosen Streit in den Bauch gestochen und keine Hilfe für ihn geholt hat. Erst die Kinder haben ihm das Leben gerettet. Er ist voller Hass und Vorurteile, er beschimpft sie, wirft ihr das „schöne Leben im Häfen“ vor und fühlt sich als Mann regelrecht kastriert, weil er sich gegen eine Frau nicht durchsetzen konnte. Sie ist voller Schuldgefühle, weiß nicht, warum sie zugestochen hat, lässt aber durchblicken, dass sie von ihm brutal ausgenutzt und missbraucht wurde. Sie hat das Gefängnis sogar als Befreiung empfunden. Er gibt in seiner Verzweiflung der Frauenemanzipation die Schuld, er hat einen wüsten anonymen Drohbrief an eine emanzipierte Zeitungsreporterin verfasst, den er ihr vorliest. Sie ist entsetzt über soviel Engstirnigkeit und Brutalität – die beiden merken, dass Abgründe sie trennen. Er wird sie auch nicht mehr besuchen, ihr bleibt die vage Hoffnung, dass er vielleicht die Kinder zu ihr lässt….

In der letzten Episode besucht der wortkarge, linkische Prolet Erwin Wagner seine Frau Maria Veronika Pammer im Krankenhaus. Seine Welt ist klein: Arbeit, Bier, Zigaretten, Kartenspiel, Fernsehen. Sie keppelt gern mit ihm, was er wortlos hinnimmt, nur, dass sie keine Kinder haben, macht ihn unglücklich. Was die Autoritäten über die beiden bestimmen, bleibt ihnen unverständlich, gegen Arzt oder Arbeitgeber „kommt man net auf“. So kommt es zur Katastrophe, die beide grandios als leidende Kreaturen erdulden. Sie stirbt, er wird entlassen…..warum? Man kennt sich nicht aus.

Sehr beeindruckend auch das minimalistische Bühnenbild: Das eingeblendete Fenster zeigt – außer im 1. Akt – die Leere draußen, die die Öde drinnen widerspiegelt. Die Räume sind karg möbliert: Bett, Trennwand, Sessel. Bühnenbau und Bühnentechnik lagen wieder in den bewährten Händen von Wolfgang Wagner und Manfred Preinfalk.

Das Begleitprogramm von Leo Pammer, Hannes Pils und Renate Wagner war durchaus von guter Qualität, wird aber vom Publikum immer weniger angenommen. Drei Veranstaltungen bei freiem Eintritt mit maximal 100 Zuschauern kann man bei bestem Willen nur mehr als Minderheitenprogramm ansehen. Hier wird sich einiges ändern müssen, d.h. ein Begleitprogramm in der gewohnten Form wird es nächstes Jahr sicher nicht mehr geben.

(Leopold Pammer)

Dank an:

Ohne die großartige Schar der ehrenamtlichen Mitarbeiter der Grenzlandbühne wäre ein Festival in dieser Größenordnung nicht möglich, daher gilt mein besonderer Dank dem Grenzlandbühne-Team, auch bei unseren „Fans“ und allen Sponsoren und Gönnern, sowie bei unserem werten Publikum möchte ich mich im Namen der Grenzlandbühne herzlich bedanken!
Auf bald in Leopoldschlag, bei einem neuen Theaterabenteuer!

Josef Haiböck, Obmann